Balthasar Wörner

Unterwegs beim SPIELART

Im Dog House

„Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung.“

Artikel 106 (1) der Verfassung des Freistaates Bayern

 

Der Oktober ist traditionell ein Monat, in dem der Kampf um die Stadt so richtig Fahrt aufnimmt. Es steht der Start des Wintersemesters an, dieses Jahr waren es laut Wissenschaftsministerium mehr als 25 000 Erstsemester. So werfen da alljährlich tausende Green Boys (und Girls und alle dazwischen und außerhalb) ihren Hut in den Ring, um nach diversen Royal Rumbles bei Wohnungsbesichtigungen den ein oder anderen Chop einzustecken und schließlich dem Hut das Handtuch hinterher zu werfen. Wehe denen, die dem Kayfabe auferliegen und an einen fairen Wohnungsmarkt glauben.

Go Home nennt sich das, wenn ein Wrestler ankündigt, gleich seinen Finisher Move einzuleiten. Also das Sportspektakel Pendant zu einer drohenden weiteren Wohnungsabsage. Ein Go Home kann auch Teil eines sogenannten Clean Houses sein. So nennt man es, wenn ein Wrestler alle anderen aus dem Ring wirft und als einziger zurückbleibt. Dieser darf dann seine hart erkämpften 30 Quadratmeter, tatsächlich etwa die Größe eines Wrestling-Rings, voll auskosten und muss dafür, nach aktuellem Mietspiegel nur rund 788 Euro Monatlich aufbringen. Sicherlich kein Problem für jemanden, der ja schon bewiesen hat, dass er das richtige Mindset besitzt, um es ganz nach oben, bzw. in eine Parterre Wohnung nach Ramersdorf zu schaffen.

Die übriggebliebenen Jobber befinden sich dann im schlimmsten Fall wortwörtlich im Dog House. Oder aber, sie können auf einen von der Münchner Raumentwicklungsgesellschaft, einer hundertprozentigen Tochter der Stadt, angebotenen vergünstigten Camping-Stellplätze für Studentinnen und Studenten zurückgreifen. „You will serve hard Time.“, so die Catchphrase des meistens als Sieger hervorgehenden Wrestlers The Big Boss Man. Aber mei, so ist das halt, survival of the fittest, wer im Ring nicht abliefert, landet dann über kurz oder lang im Trailerpark am Stadtrand. Irgendwie aber auch selbstverschuldet, schließlich haben sie einfach nicht genug einstecken können. Immerhin haben sie dann ein kleines Fleckchen Erde, könnte man anmerken, ein Ort der Pause und Besinnung irgendwo zwischen Dropkick und Schlüsselklick. Ein kleines Fleckchen, halb so groß wie ein Wrestling Ring und trotz des städtischen Rabatts immer noch 250 Euro im Monat teuer, auf dem sie bei 5 Grad Celsius ihren Klappstuhl aufstellen, die zahlreichen Squashes analysieren und an ihrem Comeback arbeiten können. Nach dem Training zu duschen kostet übrigens 2,10 Euro.

In der Zwischenzeit haben, parallel zum SPIELART Festival, die Heels des Bayrischen Booking Committees, aka frisch gewählte Landesregierung, die Storyline für die kommenden fünf Jahre festgelegt und einen neuen Koalitionsvertrag unterzeichnet. „Wir wirken nachhaltig zusammen mit den Kommunen auf eine bessere Wohnraumversorgung für Studierende im ganzen Land hin.“ Oder um es mit den Worten der WWE Legende Christian zu sagen: „This is for all my peeps!“ Sicherlich erhoffen sich da einige Akteure positive Pops. Doch wie glaubwürdig eine Storyline ist, in der unter dem Punkt Kunst und Kultur noch vor dem Absatz zur Theaterförderung der wohlklingende Satz „Insbesondere die Gebirgsschützen sind eine großartige Visitenkarte Bayerns und zeigen den Freistaat von seiner besten Seite.“ steht, nun das muss dann jeder im Publikum für sich entscheiden. Könnte gut sein, dass man zum Schluss kommt, es handele sich hier um einen 85 Seiten langen Bury.

Was bleiben also für Optionen, wenn man sich nicht als Couchsurfing Ring Rat an die heften möchte, die die House Show für sich entscheiden konnten? „If you‘re not cheating you‘re not trying.“, wäre da ein Vorschlag von WWE Champion Eddie Guerrero. „To be the man, you gotta beat the man“, ein anderer Vorschlag von Guerreros Kollegen und Teilzeitphilosophen Ric Flair. Es sieht dann am Ende doch schwer nach einem Kampf gegen Windmühlen aus, den man in dieser Stadt kämpfen muss um ein Dach auf den Kopf, Verzeihung, über den Kopf zu bekommen: „Just when they think they know the answers I change the questions“, brachte Roddy The Masked Canadian Piper die Vermieter-Perspektive auf den Punkt. Wichtig ist aber vor allem: Nie die Hoffnung zu verlieren. Schließlich ist keine Sportart so bekannt für ihre überraschenden Wendungen wie Wrestling, oder?

Ich wünsche allen Green Boys und Green Girls da draußen im Thalkirchener Trailerpark einen wundersamen Turn in ihren Angles.

 

Glossar:

 

Angle: Mit Angle ist in erster Linie eine Geschichte gemeint. Alles was innerhalb dieser Geschichte passiert, gehört zum Angle.

Booker: Booker schreiben die Storylines für eine Liga. Bei großen Ligen gibt es ganze Booking Committees.

Bury: Mit dieser Aktion wird ein Wrestler oder Offizieller vor Publikum der Lächerlichkeit preisgegeben.

Chop: Ein Schlag, meist auf die Brust, der mit der Handfläche ausgeführt wird, und ziemlich schmerzhaft ist.

Dog House: Befindet sich ein Wrestler im Dog House, so hat das Creative Team keine Ideen für seinen On-Air-Charakter. Oftmals wird dieser Wrestler dann als Jobber eingesetzt.

Finishing Move: Aktion eines Wrestlers, welches zur Beendigung des Matches führen soll.

Go Home: Ein Wrestler sagt seinem Gegenüber, dass der Finisher gleich eingeleitet wird.

Green Boy: Ein sehr unerfahrener oder auch neuer Wrestler.

House Show: Eine Show, die nicht im TV übertragen wird.

Jobber: Das verabredete Verlieren des Matches nennt man einen "Job".

Kayfabe: Kayfabe ist eine Bezeichnung für die Aufrechterhaltung der Illusion, dass es im Wrestling zu keinem Zeitpunkt zu Absprachen kommt.

Pops: Reaktionen, die ein Wrestler vom Publikum bekommt.

Ring Rat: In der Halle umherschwirrende Mädchen und Frauen, die versuchen nach der Show die Wrestler ins Bett zu bekommen.

Squash: Ein Sieg, bei dem der Geschlagene nichts ausrichten konnte.

Storyline: Die Storyline bestimmt den gesamten Ablauf einer Liga, wobei Fehden und Stable gebildet werden.

Turn: Wenn ein Wrestler seine Gesinnung von Face zu Heel und umgekehrt ändert.

 

Alle im Glossar verwendeten Definitionen wurden dem informativen deutschsprachigen Wrestling-Blog genickbruch.com entnommen.